Die kleine Gemeinde Zweisimmen liegt im Kanton Bern auf etwa 950 Meter Höhe. Und wer dort im Chalet Patria Urlaub macht, der genießt ein Idyll in einem typischen Haus der Schweizer Berge mit der großartigen Umgebung des Berner Oberlands und Blick auf den fast 2.079 Meter hohen Rinderberg.

Seit 2015, immer im Juni, beherbergt das urige Chalet Läufergruppen. Das lässt sich schon daran erkennen, dass vor der Haustür zig bunte Laufschuhe abgestellt sind. Hier wird Sport getrieben, nicht gefaulenzt.

Als wir das erste Mal in Zweisimmen waren, hatten wir noch Wanderschuhe eingepackt und sind nur einmal am Tage dauerlaufend unterwegs gewesen. Ansonsten wurden in ruhigem Schritt die Wanderwege erkundet. Doch danach hatten wir immer mehr Lust aufs Laufen, denn es gibt dafür kaum schönere Gegenden als hier in Zweisimmen.

Die Tage im Chalet beginnen immer mit einem leckeren Frühstück auf dem sonnendurchfluteten Balkon. Gestärkt folgt die erste Laufeinheit. Entweder im Tal oder gleich hoch hinauf in die Berge. Auf dem Programm stehen lange Dauerläufe bis zu drei Stunden, Bergaufläufe, Minutenläufe am wilden Gebirgsfluss Simme sowie regenerative Läufe. Das Schöne hier ist, dass die Einheiten trotz der „dünnen Luft“ in der Höhe wenig Mühe bereiten. Das muss auch an der prächtigen Umgebung liegen: Blumenwiesen, blauer Himmel mit schneebedeckten Gipfeln, Wasserfälle, sowie eiskalte, klare Bäche lassen die Herzen von Läufern und Naturfreunden höherschlagen. Oft bleiben wir stehen, weil wir einfach nur überwältigt sind von dem Ausblick auf die Landschaft.

 

Unsere Gruppe in den Bergen

Wir, das ist zum einen Gastgeber Rainer Polenz. Rainer war früher ein sehr guter Basketballspieler und hat irgendwann das Laufen für sich entdeckt. Den Frankfurt Marathon ist er sogar schon unter 3:30 Stunden gelaufen. Ein Freund des Rennens ist Rainer seitdem geblieben, denn der Darmstädter leitet mittlerweile ein Helferteam im Zielbereich.

In Zweisimmen ist Rainer multifunktional unterwegs: Er ist Fahrer, Grillmeister, Fachmann für gute Laune, Seelsorger, Navigator bei der Routenfindung auf dem Rad – und Holzhacker, damit am Abend im Kamin das Feuer knistern kann. Nicht zu vergessen: Rainer ist auch Spielleiter, der einen Kontrahenten beim Mäxchen-Spiel auch schon mal „blöde Kuh“ nennt und den Würfelbecher an die Wand wirft.

Die anderen der Gruppe sind allesamt Dauerläufer, welche die Berge lieben, das Training in der Gruppe mögen (immer mit Rücksicht auf die „Langsameren“) – und trotzdem am Abend nicht auf mehrere Gläser Wein und Bier, sowie gutes Essen verzichten wollen.

Jedes Gruppenmitglied bringt in den Tagesablauf ein, was Mann/Frau kann: Brötchen holen, Tisch decken, Spülmaschine ausräumen, Gemüse fürs Essen schnippeln, aufräumen und, und, und…

Für jeden von uns ist es jedes Mal ein „bewegender Urlaub“, andere nennen es Trainingslager.

 

Der sportliche Alltag

In diesem Jahr wurden deutlich mehr Kilometer gelaufen – um das Pensum zu verkraften durfte der tägliche Mittagsschlaf deswegen nicht fehlen. Denn es steht ja die Marathonvorbereitung auf dem Programm.

Nachfolgend ein Einblick in unsere Trainingswoche im Trainingslager. Im vorigen und diesem Jahr sind wir sonntags noch in Steinberg-Dietzenbach einen Zehnkilometer-Wettkampf gelaufen, anschließend dann Richtung Schweiz gedüst. Deshalb stehen in den ersten beiden Tagen ruhige und längere Dauerläufe mit einigen Höhenmetern auf dem Programm. Die Tage benötigen wir auch, um uns an die Höhe zu gewöhnen.

Bei mir kam dieses Jahr noch hinzu, dass ich am Samstag zuvor einen Halbmarathon in 1:26:33 Stunden gelaufen bin. Somit kam ich auf ein Pensum von 173 Kilometern in sieben Tagen! So viel bin ich seit Beendigung meines Profisportlerlebens nicht mehr gelaufen. Es ist schon erstaunlich, was man noch leisten kann und wie viel Spaß es mir bereitet. Dies ist auch der Trainingsgruppe geschuldet. Uns verbindet die Leidenschaft zum Laufen, zu den Bergen und der Natur – aber auch die Leidenschaft für guten Wein und gutes Essen.

 

Urlaub oder Trainingslager? 

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, ob es nun ein Urlaub oder ein Trainingslager ist, stelle ich ganz klar für mich fest, dass es Urlaub ist. Es gibt keinen Zwang zu laufen, so wie zu meiner aktiven Zeit. Bin ich müde oder habe keine Lust, lasse ich es oder laufe einfach etwas langsamer. Es gibt keinen Druck Normen erfüllen zu müssen oder Bestzeiten laufen zu wollen. Kein schlechtes Gewissen mehr! Dadurch läuft es sich für mich entspannter. Denn mein Geld verdiene ich mittlerweile anders.

 

Alles hat seine Zeit 

Laufen bleibt meine Leidenschaft und große Liebe. Ob als Kind mit 10 Jahren bei den Bundes-Jugendspielen teilzunehmen und 600 Meter zu laufen, im Jugend- und Juniorenbereich Crossläufe zu absolvieren und auf der Mittelstrecke unterwegs zu sein, später als Vollprofi davon leben zu können – oder jetzt als Genussläuferin. Alles hat seine Zeit. Und diese Zeit war und ist, je nachdem wie sie ausgefüllt wird, erlebnisreich und spannend.

Übrigens, in mein erstes Trainingslager fuhr ich im Alter von 14 Jahren. Damals war das Ziel Miltenberg am Main. Das ist nur 50 Kilometer von meinem Heimatort entfernt aber schon in Bayern – und war für mich Weltreise und ein Abenteuer. Die Jungs der Gruppe vom ASC Darmstadt verkauften uns damals das Starkbier der örtlichen Kaltloch-Brauerei als Malzbier – die Folgen waren für uns Mädchen entsprechend und die Kopfschmerzen erheblich. Damals war Läuferkollege Steffen Gerth dabei, heute Journalist und der Mann, der meinem Blog den Feinschliff gibt. Dank an dich!

Beitrag von Petra Wassiluk